Furcht ist nicht in der Liebe, sondern die vollkommene Liebe treibt die Furcht aus, denn die Furcht hat es mit Strafe zu tun. Wer sich aber fürchtet, ist nicht vollendet in der Liebe 1.Johannes 4,18

Liebe Mama, Lieber Papa,
heute nehme ich dich mit hinein in das, was ich gerade lerne. Vielleicht ist es ein etwas herausforderndes Thema für dich – das ist es auch für mich noch.

Ich möchte mein Kind immer lieben, immer annehmen und nie die Verbindung zu ihm unterbrechen. Vorbild ist dabei – na klar – unser himmlischer Vater.

Wenn ich mein Kind strafe oder ihm drohe, passiert allerdings genau das: Ich unterbreche die Verbindung, ich stehe nicht mehr auf der Seite meines Kindes. Wenn Strafe Teil meiner Erziehung ist, verbünde ich mich mit der Angst meines Kindes. Drastisch gesagt: Möchte ich meine Kinder bedrohen, Angst erzeugen, damit sie tun, was ich will? Kann ich auf diese Weise einen Ort des Vertrauens und der Sicherheit aufbauen, was immer auch passiert – was immer mein Kind tut? Ein Ort, wo es möglich ist, sich verletzlich zu zeigen?

Gibt es denn eine Möglichkeit, ein Kind zu erziehen, ohne zu strafen? Ich denke schon. Es bedeutet nämlich nicht, dass das Handeln meiner Kinder keine Konsequenzen hat – im Gegenteil: „Ich erlaube, dass du die Konsequenzen deines Handelns und Entscheidens erfährst. Ich erlaube nicht, dass dein Verhalten meine Beziehung zu dir bestimmt. Ich bleibe bei dir.“ Was auch immer die Konsequenz ist, was auch immer der begangene „Fehler“ ist, ich bleibe in der Liebe, im Mitgefühl. Ist es nicht auch das, was wir uns von unseren Mitmenschen und letztlich von Gott wünschen? Dass wir ganz wir selbst sein können, ohne Angst vor Fehlern, in dem Wissen, trotzdem verständnisvoll angesehen zu werden, ohne Wiedergutmachung angenommen zu sein?

In der Erziehung ohne Strafe biete ich also meinen Kindern Möglichkeiten und zugehörige Konsequenzen und bleibe dabei in der Liebe. Oder ich versuche es zumindest. Ich ermögliche, ja, ich erlaube Fehler. So wie Gott es im Garten Eden getan hat. Und jeden Tag wieder tut. Er hält uns nicht gewaltsam von Fehlern ab und droht auch nicht. Er hat alle Strafe selbst getragen. Er will unsere Freiheit und unsere freiwillige Liebe zu Ihm.

Wie gehe ich denn jetzt mit Fehlern, mit Chaos, mit Respektlosigkeit um?

Lasst uns mal in das Gleichnis vom verlorenen Sohn schauen (Lukas 15,11-32). Der Sohn begeht so einige Fehler und kehrt schließlich zum Vater zurück. Er bewertet sich aufgrund dessen, was er getan hat gegenüber dem Vater als „nicht mehr würdig, dein Sohn zu heißen“ (Vers 21). Der Vater aber verliert kein Wort über das Verhalten des Sohnes. Er lässt nicht zu, dass die Identität seines Sohnes auf dem fußt, was er getan hat. Er arbeitet gegen die Scham und macht seinem Sohn in Wort und Tat klar, dass es nichts gibt, was zwischen ihnen steht und dass er ihn genauso ansieht und liebt wie vorher. Er ist immer noch sein geliebter Sohn.

So möchte ich das auch tun. Ich bleibe in jeder Situation ein Ermutiger, der die Kinder zu ihrem Besten motiviert. Auch in den Konsequenzen ihres Handelns. Ich übernehme nicht die Verantwortung, aber ich bleibe an ihrer Seite, damit sie aus ihrem Chaos herauskommen können. Jetzt endlich mal ein Beispiel: Beim wilden Gestikulieren am Abendbrottisch kippt der volle Wasserbecher um. Ich bleibe ruhig, rege mich nicht auf, auch wenn das heute zum dritten Mal passiert. Aber, ich springe auch nicht auf, um die Bescherung aufzuwischen. Ich sage in etwa: „Oh nein. Was möchtest du jetzt tun?“. Vielleicht erinnere ich meinen Sohn daran, dass er gerne weiteressen kann, sobald die Pfütze aufgewischt ist. Als er kleiner war, habe ich ihn nach Ideen gefragt, wie er das aufwischen kann, ihm Möglichkeiten aufgezählt. Wenn er nicht weiterweiß, frage ich, ob er einen Tipp braucht. Mittlerweile läuft er ganz selbstständig in die Küche und holt ein
herumliegendes Abtrockentuch

So oder so ähnlich sehen dann viele Situationen aus. „Möchtest du auf den Spielplatz oder Spazieren gehen?“, „Möchtest du Malen oder Puzzeln?“, sind ganz normale Alltagsfragen. Aber es gibt auch die kniffligen Situationen, wo es zu so etwas kommt wie: „Möchtest du damit aufhören oder möchtest du aus dem Zimmer gehen? … Gehst du alleine aus dem Zimmer oder möchtest du, dass ich dich bringe?… Du entscheidest oder ich entscheide.“ Eigentlich gibt es immer die Freiheit zu entscheiden – wenn ich geduldig genug bin. Wichtig ist nur, dass ich Möglichkeiten anbiete, mit denen ich leben kann. Und die für mein Kind umsetzbar sind. Ich habe auch schon, als drinnen bleiben für mich keine Option war, gefragt: „Ziehst du dir die Schuhe an oder möchtest du, dass ich dir die Schuhe anziehe?“
Strafen und Androhen mag funktionieren, schnelle Ergebnisse zeigen, aber das Ziel dabei ist Unterordnung und Gehorsam. Erziehung ohne Strafe hat eine ununterbrochene, liebevolle Verbindung zum Ziel, die den Rahmen bietet, in dem das Kind etwas lernen kann, auch durch Fehler. Es braucht seine Zeit, es ist ein Prozess, doch auch hier dürfen wir uns von Gottes Vorbild ermutigen lassen:

Oder verachtest du den Reichtum seiner Gütigkeit und Geduld und Langmut und weißt nicht, dass die Güte Gottes dich zur Buße leitet? (Römer 2,4)

Nicht Gottes Strafen, sondern Seine Langmut und Güte führen mich zur Umkehr. In der liebevollen Verbundenheit werden meine Kinder mehr und mehr meine Wünsche respektieren wollen. Weil ihnen die Beziehung wichtig ist. So wie Jesus sagt: Wenn ihr mich liebt, so werdet ihr meine Gebote halten (Johannes 14,15).

Was kommt am Ende dabei heraus? Ich hoffe und glaube: Menschen, die nicht gelernt haben, sich einfach unterzuordnen, sondern die sich ihrer Freiheit bewusst sind. Menschen, die wissen, was ihr Handeln für Konsequenzen hat. Menschen, die fähig sind zu lieben und sich auch bewusst für ein Unterordnen in Liebe entscheiden können.
Menschen, denen es leichter fällt, Gottes Herz zu erkennen.

„Our children learn that the quality of their lives depends on the quality of their choices.”
Unsere Kinder lernen, dass die Qualität ihres Lebens von der Qualität ihrer Entscheidungen abhängt. [Love and Logic]

Wie eingangs gesagt, ich bin selbst Lernende – macht mich gern darauf aufmerksam, wenn ich meine Jungs strafend angeguckt habe. Und falls ihr neugierig geworden seid oder ähnlich unterwegs, dann freue ich mich über eure Fragen, Ideen, Zeugnisse, Ermutigungen… über Weggefährten.

Von Herzen liebe Grüße,
Christina Sattler